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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 26.02.2004
Aktenzeichen: 14 U 200/03
Rechtsgebiete: STVG
Vorschriften:
STVG § 17 |
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 26. Februar 2004
In dem Rechtsstreit
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht #######, des Richters am Oberlandesgericht ####### und der Richterin am Landgericht ####### für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels und der Berufung der Klägerin - das am 29. September 2003 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Verden abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 810,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Februar 2002 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 85 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 15 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 82 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 18 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 4.514,31 EUR, nämlich für die Berufung der Klägerin 2.172,37 EUR und für die Berufung der Beklagten 2.341,94 EUR (§ 19 Abs. 2 GKG).
Gründe:
I.
Die Berufung der Klägerin ist im Ergebnis unbegründet; die der Beklagten teilweise begründet.
1. Die Beklagten haften aus dem Verkehrsunfall vom 2. November 2001 nicht wie vom Landgericht angenommen zu 75 %, sondern nur zu 60 %.
a) Zu Recht führt das Landgericht zwar aus, dass der Beklagte zu 1 mit dem Abstellen des unbeleuchteten LkwAnhängers auf der rechten Fahrbahn der Kreisstraße 20 gegen das Beleuchtungsgebot gemäß § 17 Abs. 4 Nr. 1 StVO verstoßen hat. Darüber hinaus durfte er den Anhänger überhaupt nicht auf der Fahrbahn der Kreisstraße parken, denn gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 8 a StVO ist das Parken auf einer Vorfahrtsstraße außerhalb geschlossener Ortschaften unzulässig. Hinzu kommt, dass ausweislich der polizeilichen Handskizze (Bl. 6 der Ermittlungsakten StA Verden 244 Js 36294/01) am Fahrbahnrand ein unbefestigter Nebenplatz vorhanden ist, auf dem er den Anhänger hätte abstellen können. Insgesamt fällt dem Beklagten zu 1 danach ein gravierender Verkehrsverstoß zur Last, denn er hat offensichtlich aus reiner Bequemlichkeit den fließenden Verkehr gefährdet.
b) Allerdings steht nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen ####### vom 29. Januar 2004 fest, dass die Klägerin nicht mit der gemäß § 1 Abs. 1 StVO gebotenen Vorsicht gefahren ist und dadurch den Unfall mitverursacht hat. Dabei kommt es auf die erstmals in der Berufungsinstanz streitige Frage, ob sich am Heck des Anhängers eine 30 x 30 cm große Warntafel mit Reflektoren befand, nicht an. Der Sachverständige kommt anhand eines Versuchs mit einem ähnlichen Fahrzeug zu dem Ergebnis, dass ein Anhänger mit dreieckigen Reflektoren am rechten und linken Heck auch ohne ausgeklappte Warntafel bereits aus einer Entfernung von 100 bis 120 m erkennbar sei (Bl. 9 des Gutachtens). Dies hat er auf Befragen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Verhandlungstermin vor dem Senat am 17. Februar 2004 noch einmal nachdrücklich bestätigt. Die Entfernungsangabe von 100 bis 120 m bewege sich zugunsten der Klägerin bereits an der unteren Grenze. Dass er als Versuchsobjekt einen Anhänger aus Aluminium gewählt habe, während der Anhänger des Beklagten zu 1 aus dunklem Material gewesen sei, spiele für die Erkennbarkeit keine Rolle. Die Höhe, in der die Reflektoren an den Anhängern angebracht seien, entspreche sich. Dies habe er anhand der Unfallschäden feststellen können und sich gerade deshalb für den Aluminiumanhänger als Versuchsobjekt entschieden.
Ausgehend von einer Reaktionszeit von ca. 1 Sekunde und der gefahrenen Geschwindigkeit von 60 km/h hätte die Klägerin bei aufmerksamer Fahrweise in einer Entfernung von 80 bis 100 m vor dem Anhänger mit dem Bremsen beginnen und die Kollision dadurch verhindern können (Bl. 10 des Gutachtens). Bei einer Vollbremsung betrage der Anhalteweg 35,7 bis 36,8 m (Bl. 10 und 11 des Gutachtens). Bei rechtzeitiger Reaktion aus einer Entfernung von etwa 80 m wäre nicht einmal eine Vollbremsung erforderlich gewesen (Bl. 11 und 12 des Gutachtens). Mit einer Vollbremsung hätte die Klägerin sogar dann noch rechtzeitig vor dem Anhänger zum Stehen kommen können, wenn dieser überhaupt nicht mit Reflektoren ausgestattet und nur durch die direkte Anstrahlung des Abblendlichts erkennbar gewesen wäre (Bl. 12 des Gutachtens).
c) Die gemäß § 17 StVG erforderliche Abwägung der beiderseitigen Verursachungs und Verschuldensbeiträge führt zu einer Haftungsverteilung von 40 % zu Lasten der Klägerin und 60 % zu Lasten der Beklagten. Das überwiegende Verschulden an dem Unfall trifft den Beklagten zu 1, der aus egoistischen Motiven - Bequemlichkeit - den Straßenverkehr gefährdet hat. Auch der Klägerin fällt jedoch ein deutliches Verschulden zur Last. Nach den Feststellungen des Sachverständigen muss sie sehenden Auges oder infolge erheblicher Unaufmerksamkeit auf den Anhänger aufgefahren sein. Damit hat sie gegen eine entscheidende Grundregel des Straßenverkehrs, nämlich die Fahrbahn vor sich aufmerksam zu beobachten, verstoßen. Das Oberlandesgericht Koblenz hat im Hinblick auf die überragende Bedeutung dieses Gebots - "die wichtigste Grundregel des Straßenverkehrs" - die alleinige Haftung des Auffahrenden auf ein mit unzureichender Beleuchtung außerorts auf einer Landstraße abgestelltes Fahrzeug eines Unfallhelfers angenommen (DAR 1977, 325 [326]). Selbstverständlich ist der Anlass des Abstellens dort mit der Motivation des Beklagten zu 1 hier nicht vergleichbar, dem wird jedoch durch die überwiegende Haftungszuweisung von 60 % Rechnung getragen. Inwieweit die Klägerin durch das eingeschaltete Warnblinklicht an der Sattelzugmaschine auf dem Hof des Beklagten zu 1 abgelenkt gewesen sein könnte, ist entgegen der Ansicht der Klägerin völlig unerheblich, denn zu den Obliegenheiten eines Kraftfahrers gehört es natürlich auch, sich unabhängig vom Geschehen am Straßenrand auf den Verkehr zu konzentrieren.
2. Anders als das Landgericht meint, steht der Klägerin eine Nutzungsausfallentschädigung zu. Der erstattungsfähige Schaden beträgt 2.048 DM (1.047,13 EUR), nämlich 16 Tage x 128 DM. Die Dauer der Nutzungsausfallentschädigung mit 16 Tagen entspricht der angenommenen Reparaturdauer im Privatgutachten des Dipl.Ing. ####### vom 9. November 2001 (Bl. 10 ff. d. A.). Die Höhe der von der Klägerin angesetzten Nutzungsausfallentschädigung von 128 DM pro Tag ist unstreitig und ergibt sich zudem aus den Vergleichswerten der von Sanden/Danner begründeten Nutzungsausfalltabelle (abgedruckt in NJW 2003, 804 f.).
Zu Recht führt das Landgericht zwar aus, dass der Ersatzanspruch eine fühlbare Nutzungsbeeinträchtigung voraussetzt, an der es fehlt, wenn der Geschädigte seinen Wagen in der Ausfallzeit nicht nutzen kann oder will (BGH NJW 1985, 2471 [2471]). Nutzungsmöglichkeit und willen waren jedoch bei der Klägerin vorhanden:
Nach dem unstreitigen Sachverhalt war die Klägerin lediglich in der Zeit vom 3. bis zum 11. November 2001 verletzungsbedingt nicht in der Lage, selbst einen Wagen zu fahren. In der Folgezeit hat sie den Citroen ihres Sohnes genutzt und damit die entsprechende Möglichkeit und Absicht anschaulich dokumentiert; weshalb dies nach Auffassung des Landgerichts gerade gegen die Voraussetzungen eines Nutzungsausfallanspruchs sprechen soll, ist nicht nachvollziehbar.
Auch die Tatsache, dass die Klägerin erst im Februar 2002, also rd. 3 Monate nach dem Unfall ein Ersatzfahrzeug erworben hat, steht der Annahme eines Nutzungswillens nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass bei der Abrechnung nach fiktiven Reparaturkosten eine Nutzungsentschädigung entfallen kann, wenn der Geschädigte nicht alsbald nach dem Unfall ein neues Fahrzeug kauft (OLG Bremen, NJWRR 2002, 383 f.; vgl. auch OLG Hamm, NJWRR 1995, 1230 f., wonach eine Nutzungsentschädigung jedenfalls dann zuzusprechen ist, wenn der Geschädigte alsbald nach dem Unfall ein neues Fahrzeug anschafft; Rixecker in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., 3. Kap., Rn. 89). Der Zeitraum von rd. 3 Monaten reicht hier aber nicht aus, um aus den Gesamtumständen schließen zu können, dass der Klägerin an der Anschaffung eines Ersatzwagens überhaupt nicht gelegen war und sie deshalb zunächst bewusst darauf verzichtet hat. Vielmehr handelt es sich auch in Anbetracht der unfallbedingten Verletzungen um eine durchaus angemessene Überlegungszeit, die dem Geschädigten vor der Entscheidung für den Erwerb eines Ersatzfahrzeugs zuzubilligen ist.
3. Unter Berücksichtigung des Mitverschuldens der Klägerin hält der Senat zum Ausgleich der unfallbedingten Verletzungen - eine HWSDistorsion und Prellungen, nach 3 Wochen waren die Beschwerden abgeklungen - ein Schmerzensgeld in Höhe von 500 EUR für angemessen.
4. Die Restforderung der Klägerin berechnet sich danach wie folgt:
unstreitiger Sachschaden 12.578,04 EUR Pflegekosten 184,07 EUR Nutzungsausfallentschädigung 1.047,13 EUR 13.809,24 EUR 60 % von diesem Betrag 8.285,54 EUR Schmerzensgeld 500,00 EUR 8.785,54 EUR abzüglich vorprozessual gezahlter (LGU Bl. 7) auf den materiellen Schaden 7.395,34 EUR auf das Schmerzensgeld 460,16 EUR auf die Abschleppkosten 120,01 EUR 810,03 EUR
II.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO (Kosten) und 708 Nr. 10, 713 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 ZPO.
Ende der Entscheidung
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